Interview | Die Wiener Künstlerin, Galeristin und Fotobuchhändlerin Regina Maria Anzenberger über die faszinierende Welt der Fotobücher

Ab Herbst werde ich regelmäßig über interessante und aufwendig gestaltete Fotobücher – die großteils im AnzenbergerGallery-Bookshop erhältlich sind – berichten. Die Wiener Künstlerin, Galeristin und Fotobuchhändlerin Regina Maria Anzenberger gab mir in diesem kurzen Interview einen Einblick in die faszinierende Welt der Fotobücher.

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Im Juni dieses Jahres fand – mit großem Erfolg – das 1. ViennaPhotobookFestival am Gelände der ehemaligen Ankerbrotfabrik in Wien statt. In den Räumlichkeiten Ihrer Galerie, der AnzenbergerGallery und der Ostlicht. Galerie für Fotografie waren auf über 600m2 unzählige Aussteller vertreten, die ihre schönsten Fotobücher präsentierten. Wird es dieses Festival auch 2014 geben?

Ja wir werden es wieder machen. Es war ein großer Erfolg. Wir hatten etwa 3000 Besucher und die Händler waren sehr zufrieden. Wir waren überrascht, wie viele Fotobuchsammler und Interessierte es in Wien gibt.

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Bei dieser Masse an Angebot kann es durchaus vorkommen, dass ein „Fotobuchlaie“ schnell überfordert ist. Haben Sie einen Tipp für meine Leserinnen und Leser, oder: Welche Kriterien muss ein Fotobuch erfüllen, damit Sie als Profi begeistert sind?

Voraussetzung ist mal, dass die Fotografie hervorragend, das Thema zeitgemäß und das Layout schlicht ist. Heutzutage sollte sich der Fotograf bezüglich der Gestaltung des Buches vor allem was die Materialien angeht, etwas Besonderes überlegen, um herauszustechen. Und der Druck muss natürlich auch exzellent sein.

Prof. Dr. Christoph Schaden hat in seinem interessanten Vortrag “How we look at them. Das Fotobuch im Spannungsfeld von Wissen und Fetischisierung 1984-2013“ die Frage gestellt, „wie sich der Blick auf Fotobücher im Laufe der Zeit gewandelt hat.“ Des Weiteren geht es ihm darum, eine Definition dafür zu finden, was ein Fotobuch ist.

Wie lautet Ihre Interpretation eines Fotobuches?

Ausschließlich oder viel mehr Foto als Text. Eine Geschichte soll mit Fotografie erzählt werden.

Ihrem Lebenslauf habe ich entnommen, dass Sie selbst künstlerisch tätig sind und bereits zahlreiche Fotobücher herausgegeben haben. Welche Eigenschaften sind Ihnen am wichtigsten, um sicherzugehen, das perfekte Bild geschossen zu haben?

Folgen Sie einem bestimmten Arbeitsprozess?

Ich sehe mich nicht als Fotografin, sondern als Künstlerin, weil ich von der Malerei komme und im Laufe der Zeit mit den verschiedensten Medien gearbeitet habe. Zurzeit ist es gerade eine Mischtechnik aus Fotografie, Zeichnung, Schrift, Musiknoten und Fundstücken. Ich arbeite sehr impulsiv. Ich fotografiere fast nur mehr mit dem Iphone, weil es schnell ist und weil man es immer dabei hat. Mir geht es in der Kombination mit den anderen Medien in der Fotografie mehr um Form, manchmal auch um den richtigen Moment, aber hier kreist man das Objekt oft ein, bis man weiß, dass man DAS Bild gemacht hat. Früher habe ich auch mit analogen Kameras gearbeitet, aber es waren im Prinzip nur zwei Projekte.

Haben Sie ein Lieblingsfotobuch? Wenn ja, welches und warum gerade dieses?

Ich habe sehr viele Lieblingsfotobücher. Und es werden auch immer mehr. Eines ist natürlich IMAGES A LA SAUVETTE von Henri Cartier-Bresson. Es ist ein Klassiker und war ein Geburtstagsgeschenk von einem sehr lieben Freund. Ein anderes habe ich gerade gestern von der amerikanischen Fotografin Carolyn Drake bekommen, es heißt TWO RIVERS. Es hat alles, was ein sehr gutes zeitgenössisches Fotobuch braucht. Übrigens von der Fotografin selbst publiziert.

In Ihrem Buchshop befindet sich u.a. das im Juni 2013 erschienene Fotobuch Holy Bible von Adam Broomberg & Oliver Chanarin (MACK), das bereits vergriffen ist. Ab September wird eine Neuauflage des Buches erhältlich sein. Warum glauben Sie, dass gerade dieses Fotobuch in Sammlerkreisen so gefragt ist?

Dieses Buch widmet sich auf eine zeitgenössische Weise einem sehr bekannten Thema: nämlich den Geschichten aus der Bibel und interpretiert sie mit gefundener Fotografie [Anm.: Das Buch enthält 512 ausgewählte Fotografien von Archive of Modern Conflict, London] auf eine neue sehr persönliche Weise. Das ist natürlich sehr spannend. Dieses Buch ist eigentlich kein wirkliches Fotobuch, sondern Medienkunst. Es ist nur zufällig in einem Fotobuchverlag erschienen und wird deshalb als solches gehandelt. Dieses Buch und viele andere steigen im Wert, fast wie an einer Börse. Als Fotobuchhändler mit gutem Gespür kauft man solche Bücher und muss dann den Markt sehr genau beobachten, damit man die Marktpreise genau mitverfolgen kann. Das Fotobuch ist einerseits eine demokratische Kunst, die sich jeder leisten kann. Auf der anderen Seite ist es zur Kunstaktie geworden, die man billig kauft und die innerhalb von kürzester Zeit sehr viel wert sein kann. Wir haben in der Galerie viele solche Bücher. Wer am Anfang kauft, bekommt die Bücher noch billig. Wer sich zu viel Zeit lässt, kann sie sich vielleicht später nicht mehr leisten. Ich berate gerne Freunde oder Kunden in der Galerie diesbezüglich, weil ich mich mit den Kunden auch freue, wenn sie Bücher gekauft haben, von denen ich schon von vornherein weiß, dass sie schnell vergriffen sein werden und im Wert steigen. Ich sammle auch selber viel. Ich denke, das ist die beste Voraussetzung für einen erfolgreichen Galerie Buchshop.

Wie lange gibt es Ihren Buchshop schon? Sind dort hauptsächlich Gegenwartskünstlerinnen und -künstler vertreten oder verkaufen Sie auch ältere „Fotobuchschätze“ ?

Den Buchshop habe ich im März 2011 anlässlich einer Ausstellung mit Martin Parr gegründet. Es war einfach der beste Zeitpunkt. Seit kurzem gibt es auch einen Online-Buchshop, in dem mittlerweile über 400 Titel erhältlich sind. Hauptsächlich konzentriere ich mich auf neue, interessant gemachte Titel von zeitgenössischen Fotografen und Künstlern. Bei uns gibt es nur wenige – wenn auch einige sehr rare – ältere Fotobücher.

Seit Montag, dem 5. August 2013 gibt es wieder eine neue Ausstellung in Ihrer Galerie (AnzenbergerGallery, Absberggasse 27, 1100 Wien). Unter dem Titel In Between werden bis 7. September 2013 Werke von Martin Parr, Reiner Riedler, Klaus Pichler, Alena Zhandarova, Paul Schneggenburger, Phillip Jones, Toni Anzenberger, Minyó Szert, Katka Prackova und von Ihnen selbst zu sehen sein.

Wollen Sie kurz etwas darüber erzählen, wie es zu dieser Gruppenausstellung gekommen ist und was die Besucher dort erwarten wird?

Es ist eine sehr spontane Sommerausstellung mit verschiedenen – teilweise neuen – Arbeiten unserer permanent vertretenen Künstler. Ursprünglich wollte ich die Galerie im August schließen und ausmalen, aber dann kam die Ausstellung von Bryan Adams im OstLicht [Anm.: Ostlicht. Galerie für Fotografie], wo auch sonntags geöffnet wird, und ich dachte, dass dies sicherlich viele Leute anziehen wird. Nachdem wir ja auch erst seit letztem September hier sind, habe ich kurzerhand beschlossen, die Galerie den ganzen Sommer offen zu halten. Es kommen mittlerweile auch viele Touristen.

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Vielen Dank für das Interview.

Interview: Marlene Obermayer mit Regina Maria Anzenberger | Fotos: copyright AnzenbergerAgency (sw-Bild: copyright Kay von Aspern)

WISSENSWERT | Neben den Fotografien der oben genannten Künstlerinnen und Künstler gibt es auch die Möglichkeit, das jeweilige Fotobuch im AnzenbergerGallery-bookshop (Online oder direkt in der Galerie) zu erwerben:

++ Klaus Pichler. Skeletons in the closet, 2013 ++

  • Eigenverlag
  • 112 Seiten, 30€, signiert (limitierte Edition von 50 Stück, 100€)

Pichler Skeletons

++ Alena Zhandarova. The city of brides, 2013 ++

  • Eigenverlag
  • Edition von 150 Stück, nummeriert u. signiert, 42€

Alena Zhandarova The City of Brides

++ Martin Parr. The last resort, 2009 ++

  • Dewi Lewis Publishing, Stockport
  • 84 Seiten, 45€, signiert

Parr the last resort

++ Reiner Riedler. Fake holidays, 2009 ++

  • Moser Verlag, München
  • 144 Seiten, 65€, signiert (limitierte Edition von 50 Stück mit signiertem Druck – Superman in Turkey, 2006 – in einer gelben Box, 290€)

Riedler Fake holidays

++ Minyó Szert. Light years, or silhouettes with light-cycle, 2005 ++

  • Eigenverlag, Budapest
  • 100 Seiten, 20€

Szert light years or silhouettes with light-circle

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