Künstlerbücher | Artists‘ books: Eine Hommage an Ed Ruschas Künstlerbücher

Various Small Books (MIT Press, 2013)In den letzten 30 Jahren sind weltweit über 100 kleine Bücher veröffentlicht worden, die eine Hommage an Ed Ruschas Künstlerbücher darstellen. Die 2013 herausgegebene Publikation Various Small Books enthält verschiedene Buchprojekte, die teilweise sehr humorvoll gestaltet sind und die Künstlerbücher von Ruscha – die mittlerweile bereits Kultstatus erreicht haben – zum Teil leicht auf die Schippe nehmen.

Heute stelle ich euch Publikationen vor, die sich auf die Künstlerbücher von Ed Ruscha beziehen. Den Anfang macht mein persönliches Lieblingsstück, das ich auf dem diesjährigen ViennaPhotobookFestival entdeckt habe:

Jim Reed | Walking in LA, 2012 (Easter Trouble Press, Frankfurt am Main)

Der Künstler Jim Reed von Easter Trouble Press hat sich zum 75. Geburtstag von Ed Ruscha etwas ganz Besonderes ausgedacht. Am 16. Dezember 2012 gestaltet er in liebevoller Handarbeit das Künstlerbuch Walking in LA in einer Auflage von 75 Stück, wobei jedes nummeriert und signiert ist. Der blaue Einband und die Satinschleife erinnern sofort an das berühmte Büchlein Babycakes, das Ruscha im Jahr 1970 in einer Auflage von 1.200 Stück produziert hat.

Auf den zehn aufklappbaren Seiten steht jeweils ein Wort; zusammengesetzt ergibt sich daraus der Satz ONLY A NO BODY WALKS IN L A, der sich auf die anonymen, nicht kommentierten Schwarz-Weiß-Bilder im Inneren des Buches bezieht. >> Walking in LA (making of) | VIDEO <<

Das Buch kann (derzeit noch) um 7,50€ bei Easter Trouble Press bezogen werden – also schnell zugreifen!

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Thomas Galler | Various Fires and Four Running Boys, 2009 (Edition Fink, Zürich)

Eine sehr gelungene Hommage an Ed Ruschas Various Small Fires and Milk aus dem Jahr 1964 stellt das 2009 erschienene Buch Various Fires and Four Running Boys von Thomas Galler dar, das ich auch auf dem ViennaPhotobookFestival entdeckt habe. Galler zeigt in dem Buch 21 Abbildungen von brennenden Häusern, Autos oder Menschen, die er in Magazinen und Zeitungen gefunden und er seit 1999 gesammelt hat.

Das Büchlein besitzt wie das Original die gleiche Größe, die Bindung sowie auch den transparenten Schutzumschlag. Der prosaische Titel wurde von Galler etwas umgeändert, da es sich bei seinen Abbildungen keineswegs um „kleine Feuer“ handelt. In einer Edition von 500 Stück übersteigt es die Originalauflage von Ruscha um 100 Exemplare. Erhältlich bei Edition Fink um 14,50 €.

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Ein kurzer Exkurs

Interessant ist, dass Bruce Nauman der erste Künstler überhaupt war, der eine Stellungnahme zu den kleinen Fotobüchern von Ed Ruscha bezog. Im Jahr 1968 verbrannte er die Publikation Various Small Fires and Milk und dokumentierte den Vorgang mit 15 Fotografien. Nauman ordnete die Abbildungen in einem Raster von 5×3 Bilder an und ließ diese dann auf ein aufklappbares Poster mit dem Titel Burning Small Fires (1969) drucken. Jonathan Monk war davon so angetan, dass er daraufhin das Poster von Nauman verbrannte und die Aktion zu einem 16mm-Film mit dem Titel Small fires burning [after Ed Ruscha after Bruce Nauman after] (2002) verarbeitete.

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Stefan Oláh und Sebastian Hackenschmidt | Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen, 1. Aufl. 2010 / 2. Aufl. 2011 (Roma Publications, Amsterdam)

Der Fotograf Stefan Oláh und der Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt richteten ihr Augenmerk auf die ästhetischen Phänomene rund um die Wiener Zapfsäule. Durch den Titel Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen ist die Anlehnung an das Vorbild Twentysix Gasoline Stations von Ruscha offensichtlich. [1]

Ausgefallen präsentieren sich die legendären Tankstellen in der Wiener Innenstadt, die sich beispielsweise im Hinterhof, im Erdgeschoß eines Neubaus, in einer Durchfahrt oder ganz einfach auf dem Gehsteig befinden können. Exemplarisch sei hierfür die stadtbekannte Champion-Tankstelle in der Bartensteingasse erwähnt, die so schmal ist, dass das Auto mithilfe einer Drehbühne in Position gebracht werden muss.

Stefan Oláh und Sebastian Hackenschmidt | Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen, 2010
Stefan Oláh und Sebastian Hackenschmidt | Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen, 2010

Einen nostalgischen Blick wollten die Künstler, so Stefan Oláh, jedoch bewusst vermeiden. Seine Farbfotografien sind, in Unterschied zu Ruschas Schwarz-Weiß-Fotografien, Momentaufnahmen urbaner Entwicklung, die den Ist-Zustand professionell dokumentieren, fernab von Ruschas Schnappschuss-Ästhetik.

Für die Betrachterin und Betrachter, so meint Oláh, entfalte sich dennoch eine persönliche Bezugsgeschichte. Emotionale Reaktionen würden etwa jene Tankstellen hervorrufen, bei denen man zuallererst getankt oder als Student gerne Bier geholt habe. [2]

Die Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen sind in der zweiten Auflage übrigens auf 34 angewachsen. „Eine angenehme und gewollte Überschreitung“, wie Sebastian Hackenschmidt meint. Das Buch inkl. einem Essay von Hackenschmidt und einem Interview mit Ed Euscha ist bei Roma Publications um 16 € erhältlich.

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Michalis Pichler | SIX HANDS AND A CHEESE SANDWICH, 2011 (Zavod Parasite, Ljubljana & „greatest hits“ Berlin)

Weiter geht es mit dem deutschen Künstler Michalis Pichler, der bereits zahlreiche Künstlerbücher herausgegeben hat, die sich größtenteils an den berühmten Publikationen von Ruscha orientieren. Im Jahr 2011 gestaltet er das Buch SIX HANDS AND A CHEESE SANDWICH – ein Buch über Bücher, ein Katalog sowie auch ein Künstlerbuch. Der (humorvolle) Untertitel lautet folgendermaßen: Ruscha der Fischotter aka: Printed Matter And Other Visible Things On Paper Not Necessarily Meant To Be Viewed As After Ruscha aka: One Hundred Views Of One Hundred Views Of Mount Fuji, If Someone Says So aka: SIX HANDS AND A CHEESE SANDWICH.

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Michalis Pichler | Twentysix Gasoline Stations, 2009 (Printed Matter, Inc., New York & „greatest hits“ Berlin)

2009 gestaltete Pichler eine Hommage an Twentysix Gasoline Stations. Von Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt bis Mecklenburg-Vorpommern fotografiert er jede Tankstelle von der gleichen Marke. Hierbei ist auffallend, dass er bei den Aufnahmen stark mit der Horizontale arbeitet; anders als Ruscha, der seine Fotografien verstärkt auf die Diagonalen ausrichtet. Auf der letzten Seite hält Pichler einen Zettel in der Hand, auf dem steht: „The eccentric stations were the first ones I threw out“. Betitelt wird dieses Foto mit folgender humorvollen Bildunterschrift: Some words in a line instead of some missing stations.

Bei der Bindung inklusive des transparenten Schutzumschlags hält er sich genau an das Original von Ruscha. Von Pichlers Hommage gibt es eine Auflage von 550 Stück – erhältlich um 20€ bei buypichler. Des Weiteren gibt es um 120 € eine nummerierte limitierte Auflage von 50 Stück mit einem UV-Lack am Cover .

Michalis Pichler | Twentysix Gasoline Stations, 2009
Michalis Pichler | Twentysix Gasoline Stations, 2009

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Jeffery Morger | Twentysix Gasoline Stations, 2013 (Eigenverlag, Zürich)

Die letzte Referenz des heutigen Tages kommt vom Schweizer Künstler Jeffery Morger. Verglichen mit den anderen Hommagen an Twentysix Gasoline Stations fällt diese qualitativ durch die einfache Heftbindung und den fehlenden transparenten Schutzumschlag aus dem Rahmen. Morger zeigt in seiner Version von Twentysix Gasoline Stations unterschiedliche Tankstellen, die er in Zürich aufgenommen hat; im Gegensatz zu den Tankstellenfotos von Michalis Pichler wirken die zum Teil am Rand verschwommenen Farbbilder recht amateurhaft. Aus diesem Grund erzeugen sie auch eine andere Wirkung als die Hommagen der anderen Künstler.

Das Buch ist in einer Auflage von 300 Stück (nummeriert) erschienen und ist um 19,90€ bei buchhandel.de oder direkt bei Jeffery Morger erhältlich.


 

[1] Auszug aus dem Newsletter von Simone Moser

[2] http//oe1.orf.at. Artikel vom 30.06.2010, Text von Franziska Dorau.

* An dieser Stelle möchte ich mich bei Helga Müllneritsch für die Unterstützung bedanken.

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