Derzeit kann man in den Vitrinen der Kunstbibliothek des mumok u.a. das Künstlerbuch Otium von Franz West in Augenschein nehmen (auch außerhalb der Öffnungszeiten | Dienstag bis Donnerstag von 10.00 -16.00 Uhr).
„Was ist das für ein unbekannter Luxus, dieses „otium“? Im antiken Denken war der Müßiggang das höchste Gut. Doch manche der Leute, die diesen pflegen, befassen sich eben intensiv mit Philosophie. Dann ist es wieder aus mit dem „otium“ – und die Streberei beginnt“.
(Franz West in einem Interview mit Nina Schedlmayer, Profil, 11.7.2011)
Das Werk des österreichischen Künstlers Franz West ist ausgesprochen vielfältig: Installationen, Objekte, Aktionen, Skulpturen, Möbel, Video und Grafik gehören zum Repertoire des international anerkannten Künstlers. Weniger bekannt aber dürfte sein Künstlerbuch Otium sein.
Im Jahr 1995 setzte die Frankfurter Buchmesse ihren Länderschwerpunkt auf Österreich. Im Zuge dessen luden Johannes Schlebrügge und Kasper König sieben KünstlerInnen aus drei Generationen ein, die jeweils einen Beitrag in Form eines Künstlerbuches gestalten sollten: Herbert Brandl, Christine und Irene Hohenbüchler, Gerald Domenig, Heimo Zobernig, Maria Lassnig, Friedrich Achleitner und Franz West wurden ausgewählt.
„Ein Buch hat viele … Buchstaben, so heißt es irgendwo im vorliegenden Text, der nun immerhin ein Buch geworden ist. Am Anfang war vielleicht so etwas wie ein Floh im Ohr, dann eine Tonspur, schließlich ein Typoskript, das in der letzten Überarbeitung jetzt zu diesem handfesten Ding geworden ist, zu einem Buch eben …“[1] schreibt Max Wechsler im Nachwort zu Otium.
Franz West verfasste für sein Buchwerk keine Abhandlungen über seine Arbeit oder die Kunst im Allgemeinen, das Buch „spiegelt vielmehr Fragmente seines Redens. Der … Text ist darum auch von seiner Genese her ein Stück … materialisierter Sprache.“[2] Sätze und Satzteile stellen demnach sprachliche Figurationen dar und sind ihrem Sinn nach eine Art von écriture automatique.
Die Sprache als Arbeitsmaterial, zugleich Basis der künstlerischen Ausdrucksform, ist aus Wests bildnerischem Werk nicht wegzudenken.
West arbeitet in der Technik der Collage, indem er „fremdes“ Bild- und Textmaterial (aus Illustrierten, Tageszeitungen etc.) mit Malerei kombiniert und den Gehalt durch eigene Bildtitel komplettiert. Dabei spielt das Textmaterial eine große Rolle. Das Einpassen dieser Fremdbestandteile, die zu Teilstücken des eigenen, originären Werkes werden, geschieht dialoghaft, manchmal auch vereinnahmend.[3]
Auch als Urheber des Künstlerbuches respektive als Buchautor sah sich West nicht in der Rolle des Schriftstellers, als vielmehr in der des bildenden Künstlers.
„Ich will nicht sagen, dass ich jetzt ein Buch „haue“, aber ich bin ein Buchautor, das klingt ja so ähnlich wie Bildhauer“[4]
Das eigentliche Schreiben, so meinte West, stehe seinem Halbbruder Otto Kobalek zu und ließ daher Gedichte Kobaleks in Otium drucken. Da West die Rolle des Schriftstellers für sich verneinte, beschloss er, das Buchprojekt sprechenderweise zu schaffen. Er nahm Ideen und Gedanken auf Band auf und ließ diese dann von einer schwedischen Musikstudentin mit der Schreibmaschine transkribieren. Bei der Textübertragung kam es fallweise zu „kreativen Missverständnissen“. Die von West vorgenommenen Korrekturen erschufen neue Textkonstellationen, die er, um neue Kombinationen zu erschaffen, passagenweise mit Tipp-Ex abdeckte oder handschriftlich überarbeitete, um das Gewicht, weg von den Worten, auf die Buchstaben und die Erhaltung der bildnerischen Dimension zu legen.
So entstand mit Otium eine lebhafte Sammlung aus Gedankensplittern, die den Dialog mit den RezipientInnen immer wieder aufs Neue anregt.
(Text: Simone Moser)
[1] Wechsler, Max. In: West, Franz: Otium mit drei Gedichten von Otto Kobalek und einem Nachwort von Max Wechsler. Edition Unikate Peter Zimmermann, Zürich.1995, Hrsg. von Kaspar König, Johannes Schlebrügge, S. 45.
[2] Ebda S. 45.
[3] http://www.kunstverein-bs.de/index.jsp?NAV=311&LNG=DE&DOC=164, 20.02.2013, 12.30.
[4] Helwing, Anna: Das Künstlerbuch Otium. Die Quintessenz des künstlerischen Schaffens von Franz West. Lizentiatsarbeit der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich. Zürich 1998. S. 19.

mehr zur Ausstellung Franz West. Wo ist mein Achter?
Bei diesem Beitrag ist es mehr als ein „gefällt mir“, der Beitrag gefällt mir ausgesprochen gut.
Ein schönes WE aus Berlin wünscht Susanne
Ich habe das Glück, originale Handschriften von Franz West mit „Bruchstücken“ zu seinen Gedanken zu besitzen. Man liest und beschäftigt sich plötzlich mit Brancusi, Kant, Hegel, Flagellanten und anderen Themen. Über die Kommunikation/ Diskussion ergeben sich (eigentlich zufällig) neue Anregungen und Ansichten, die dann zu etwas völlig Neuem in einem Schaffensprozess werden kann. Wenn man diese Erfahrung einmal gemacht hat, kommt man nicht mehr davon weg. Danke Franz West!